Diffuse Verwischungen, geometrisch-abstrakte Formen und komplexe Collagen - stets schafft Majla Zeneli mithilfe der fast vergessenen Mezzotinto-Drucktechnik auf meisterhafte Weise berührende Bildwelten, die uns als Betrachtende eintauchen, verweilen und weiterdenken lassen. Im Wechselspiel mit Mustern, Ebenen und Variablen konzentriert sich die Künstlerin in ihren neuesten Werken auf das Licht. Schwarz und Weiß in allen Facetten und Verschmelzungen bis hin zu Textpassagen und Buchstaben führen in eine vielschichtige Meditation über Leere, Verborgenes, Ursprünge und Ewigkeiten.
Wie ungegenständliche Nachtstücke vermitteln die feinen, kleinformatigen Drucke mit ihren intensiven Hell-Dunkel-Kontrasten eine eindringliche räumliche Qualität. Das Fehlen jeglicher Dimension lässt den Betrachtenden alle Freiheit zur Projektion und Assoziation, ob mit schummrig beleuchteten Räumen, Ritzen und Vorsprüngen, Monden oder ganzen Galaxien.
Das tiefe Schwarz als Stellvertreter der absoluten Dunkelheit, deren Leere auch das Potential für alles birgt und unendliche Tiefen in sich zu verstecken vermag, ist die unbunte Farbe des Anfangs und des Endes unserer Welt. Majla Zeneli setzt dieser Dunkelheit ein breites Spektrum von Grau bis Weiß entgegen: Hier wirkt das Licht, die existenzielle Kraft, der Impuls für alles Leben ebenso wie die Voraussetzung für die visuelle Wahrnehmung jedes noch so kleinen Details. Gerade mit dem Halbdunkel, den Übergängen und Zwischenstadien, Schatten und Dämmerung, weckt die Künstlerin das Bewusstsein für die Existenz der Dinge und die Sehnsucht nach mehr Licht, um besser erkennen und begreifen zu können.
Den Wahrnehmungsprozess greift Majla Zeneli zudem in einem vielschichtigen Spiel mit sprachlichen Mitteln auf: Typografische Elemente und Textpassagen zum Thema Licht verwebt die Künstlerin mit ihren abstrakten Bildern bis hin zur beinahen Unleserlichkeit, schafft daraus camouflage-artige Muster und setzt Passagen aus Werken der deutschamerikanischen Dichterin Rosemary Waldrop mit eigenen Bilddrucken in einen intermedialen Dialog. Im Spiel mit der Bildhaftigkeit von Buchstaben, ist das Licht inhaltlich im Fokus vielfältiger Perspektiven, die jedoch nur durch seine eigene physikalische Existenz überhaupt partiell sichtbar und lesbar werden.
An den Schwellen zwischen Licht und Dunkel lässt Majla Zeneli uns zwischen Klarheit und Ungewissheit, Vorstellung und Wirklichkeit taumeln. Mit Half Light führt sie uns in inhaltliche Tiefen und schafft atmosphärisch aufgeladene Bilder voller Schönheit, die zum Nachdenken über die Zusammensetzung unserer Welt ebenso anregen können wie Trost spenden.
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Majla Zeneli ist 1980 in Tirana (Albanien) geboren und lebt in Berlin. Bis 2006 studierte sie Grafik an der Kunstakademie Eugeniusz Geppert in Breslau und bis 2008 bei Prof. Thomas Rug an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle. Ihre künstlerischen Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen auf Messen und im Rahmen von Grafikbiennalen international präsentiert. 2022 erhielt Majla Zeneli den fünfjährig vergebenen Christine Perthen-Preis für Radierung der Berlinischen Galerie - Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur. Zusätzlich erwarb das Museum Werke für die eigene Sammlung. Im darauffolgenden Jahr wurde Majla Zeneli mit dem Ehrenpreis der Triennale für kleinformatige Grafik der städtischen Galerie in Łódź (Polen) ausgezeichnet. Kürzlich erhielt sie zudem den 2. Preis der 20. Internationalen Grafiktriennale in Frechen.
Eröffnung: Samstag, 6. Juli 2024, 16-20 Uhr