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CARINA LINGE

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CARINA LINGE
THE UNSAID

12. Oktober–16. November 2024

Ausstellungstour mit der Künstlerin:
Donnerstag, 24. Oktober 2024, 18:30 Uhr

Carina Linge, Die Übersetzerin, 2024, C-Print auf Dibond, 100 x 150 cm



Atmosphärisch und symbolisch aufgeladene Fotografien, präsentiert in mehrteiligen Bild-Tableaus, sind charakteristisch für die künstlerische Arbeitsweise von Carina Linge. Mit ihren neuesten Werken führt die Leipzigerin ihre Serie psychogrammartiger Porträts ausgewählter Künstlerinnen weiter. Auch eine Selbstbetrachtung nimmt sie dabei vor.

Tiefgreifende Gefühlswelten werden in Carina Linges perfekt inszenierten Stilleben und Körperbildern sichtbar. Sinnliche Schönheit trifft darin auf eine große Melancholie und eine Fragilität, die nicht nur die Protagonistinnen in ihren individuellen Situationen betreffen, sondern auf übergeordneter Ebene zu spüren und nachzuempfinden sind. Verluste, Veränderungen und die Herausforderungen neuer Lebensphasen sind auf vielseitige Weise greifbar. 

Ein Oldtimer wartet ohne Kennzeichen in einer Garage. Ein roter Faden führt die Betrachtenden zu einer alten Fotografie. Auf einem geblümten Sofa sind einige in die Jahre gekommene Bauklötze platziert, während auf dem Boden darunter ein menschlicher Schädel liegt. Verborgenen Kindheitserinnerungen und Familiengeschichten nachspürend, sind viele der fotografischen Motive kleine emotionale Zeitreisen, welche rückbesinnend zu den Porträtierten hinführen und sie sozial verorten. Carina Linge überführt die persönlichen Zustände und Verfasstheiten in intuitiv lesbare Bilder voll hintergründiger Verweise und gesellschaftspolitischer Anspielungen. Auch Unterbewusstes und längst Vergessenes kommt zum Vorschein: Eine Figur verschwindet geisterhaft in der Dunkelheit, Falter als Sinnbilder für die Psyche tauchen an überraschenden Stellen auf. Immer wieder weisen Indizien auf gefühlte Verbindungen hin, die sich mit jenen Hoffnungen, Sehnsüchten und Bedürfnissen mischen, welche das menschliche Dasein, Identitäten und Beziehungen prägen.

Literarische Zitate und kunsthistorische Referenzen sind bei Carina Linge auch unterschwellige Beweise dafür, dass Liebe und Tod die Menschen seit jeher universell bewegen. Klassische Elemente barocker Stilleben wie ein makelloser, aber toter Vogel und für kurze Zeit aufblühende Blumen weisen als Vanitas-Symbole auf die Vergänglichkeit hin. Gedichte von Hölderlin und Hermann Hesse stehen derweil Pate für zwei Werktitel. Mit einem zentralen Bild spielt die Künstlerin auf das Gemälde “Der heilige Hieronymus” des italienischen Malers Caravaggio an. Wie der gelehrte Bibelübersetzer inszeniert sich Carina Linge hier selbst im wogenden Umhang an einem Tisch mit Büchern. Die Erschöpfung im Zuge der Aufgaben und des Erfüllungsversuchs, einer Erwartung an die eigene Rolle im beruflichen und privaten gerecht zu werden, wird den Betrachtenden - anders als bei Caravaggios männlichem Protagonisten - nicht vorenthalten. Ist das zeitgemäße Transparenz, ein Aufschrei oder schlicht eine Zustandsbeschreibung? Carina Linge nutzt ihr eigenes Medium und transformiert die Emotionen unserer Gegenwart direkt in starke, eingängige Bilder, die individuell gelesen und verstanden werden können - und die berühren.

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Carina Linge ist 1976 in Cuxhaven geboren und lebt in Leipzig. Nach einem Lehramtsstudium der Kunst und Germanistik in Greifswald studierte sie Freie Kunst an der Bauhaus-Universität Weimar bei Prof. Elfi Fröhlich und Prof. Norbert W. Hinterberger. 2007 und 2014 erhielt sie dort selbst Lehraufträge. Arbeiten von Carina Linge erhielten bereits vielfach internationale Beachtung und sind u.a. in den Sammlungen des Museum of Contemporary Art in Krakau (MOCAK), Polen, des Freistaates Thüringen, der Kunsthalle Rostock und in der Sammlung des Deutschen Bundestages vertreten. Zu Beginn dieses Jahres war ihr aktuelles Tableau L.E. in der von Katharina Schilling kuratierten Ausstellung The Bad Mother im Haus am Lützowplatz in Berlin zu sehen. Ihre Arbeit Verschüttete Milch wurde daraufhin für das Cover des renommierten Kunstmagazins Kunstforum International ausgewählt und besprochen. Während des diesjährigen Deutschen Katholikentages im Juni wurde Carina Linges fotografische Serie Nachsommer in einer Einzelausstellung in der Kunsthalle Erfurt präsentiert.

Opening: Freitag, 11. Oktober 2024, 18–21 Uhr