JARMUSCHEK + PARTNER

PATRICK CIERPKA-TEXTE

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PATRICK CIERPKA

TEXTE (AUSWAHL)
 

“REMIX” | Jarmuschek + Partner
16. November 2019 – 25. Januar 2020

Sich taumelnd um die eigene Achse zu drehen, den Wind, die Geschwindigkeit spüren, jegliches Gefühl für Zeit und Raum zu verlieren, während man gleichzeitig völlig mit ihnen verschmilzt… Bewegung ist mehr als Fortbewegung, mehr als ein bloßer Gegensatz zum Stillstand. Sie bestimmt, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen und erleben, wie wir uns selbst in unserer Wirklichkeitserfahrung verorten.

Der Phänomenologe Henri Bergson (1859-1941) beschreibt Bewegung als Veränderung im Raum, die für uns mit unserem Zeitempfinden gleichbedeutend ist. Damit einher geht, dass die bewusste Wahrnehmung von Bewegung als fließender „Übergang von Ruhe zu Ruhe“ das Gefühl hervorruft, „den Zeitablauf irgendwie zu hemmen und die Zukunft schon im gegenwärtigen in der Hand zu halten.“

Dass die Erfahrung von Bewegung dabei ebenso hypnotisierend sein kann wie das Eintauchen in eine soghafte Materie, vermittelt uns Patrick Cierpka in seinen leuchtenden Momentaufnahmen, die uns wie magisch festhalten: Das Wogen eines Sees in der Dämmerung wie in „SPIRIT“ oder die rasante Drehbewegung eines Karussells wie in „TRAUMFÄNGER“ – die kräftigen Farben ziehen uns in ihren Bann und machen uns gleichzeitig die Einmaligkeit und Universalität dieser Empfindungen bewusst.

Momente in ihrer ganzen Dichte einzufangen und eben durch das Versinken darin unser Zeitempfinden in Frage zu stellen – dieses künstlerische Ziel setzt Patrick Cierpka um, indem er die vorübergleitende Realität wie einen photographischen Bewusstseinsstrom darstellt, der unseren „inneren Kinematographen“ in Bewegung setzt. Diese Momenterfahrung als schöpferischen Akt anzusehen, bedeutet, den Betrachter als Wahrnehmenden in eine aktive Position zu versetzten. Cierpka kreiert visuell-malerische Erlebnisse und spielt mit Überblendungen, um so unsere Fähigkeit zu fokussieren herauszufordern.

Das Erlebnis des Blinzelns beim direkten Blick ins blendende Sonnenlicht wie in „JETZTZEIT“ oder in dessen glitzernde Reflexionen auf dem Wasser in „MEDIUM (S)“ wirkt fast wie eine Überbelichtung unserer Wahrnehmung, entmaterialisiert durch das gleißende Weiß, das unseren Blick gefangen hält. Es entsteht eine Art Nachbild, sowohl visuell als auch in unserer Erfahrung, in dem der Moment verharrt, während sich um uns herum alles weiterbewegt. Das Zusammenspiel des Lichts und der intensiven satten Farben ermöglichen eine Art konzentrierte Naturerfahrung. Die malerisch suggerierte Unschärfe lässt eine Mehrschichtigkeit der Erfahrungen zu, bei der sich verschiedene  Impressionen überlagern und Konturen ineinander übergehen. Diese Übergänge verlängern den Schwebezustand des Blickes noch weiter und verleihen den festgehaltenen Momenten eine bemerkenswerte Dauer und Tiefe, die uns mit ihnen verschmelzen lassen. 

Patrick Cierpka gelingt es, durch gegenständliche Elemente und Anspielungen auf universelle Erfahrungen und Empfindungen persönliche Erinnerungen in uns zu wecken und gleichzeitig durch abstrakte Farbimpressionen in unserer Phantasie ganz verschiedene Assoziationen hervorzurufen. So kreiert der Künstler visuelle Erlebnisse, die unseren Blick einfangen und uns immer tiefer in ihren Bann ziehen, bis die Zeit ganz still zu stehen scheint. 

Text: Sabine Mehnert

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Tagesspiegel, 27. Juli 2019 | “Mehr Berlin” von Christiane Meixner

 

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“TAGNACHT”  Jarmuschek + Partner
3. Mai – 14. Juni 2014 

Ein Blick in die Sonne verändert die Wahrnehmung. Man erblindet kurzzeitig, auf der menschlichen Netzhaut entstehen Nachbilder, die eine verzögerte Reaktion des Auges auf den Reiz des Lichts darstellen. In der Betrachtung der eigenen Umwelt lösen sich Konturen auf, überlagern sich Motive und bilden neue. Genau das passiert auch in den aktuellen Arbeiten von Patrick Cierpka. Darin entwickelte er seine Serie von Gegenlichtmotiven weiter, stellt Tag und Nacht gegenüber. Am Tag strahlt der sonnenhelle Himmel zwischen Zweigen und Blättern, nachts sind es die grellen, künstlichen Lichter, eingefangen als Spiegelungen auf glänzenden Oberflächen und räumlich inszenierten Scheinwerfern.

Scheinbar figürliche Objekte verzerren sich im Auge des Betrachters zu abstrakten Formen und umgekehrt konkretisieren sich Linien und Kreise zu offenbar haptisch erfahrbaren Gegenständen. In „zero“ lösen Lichtreflexe klare Umrisse auf, das Auge versucht zunächst vergeblich weitere Lichtquellen im Bild ausfindig zu machen und findet schließlich den vermeintlichen „Nullpunkt“ im Hintergrund des Bildes, der von einer roten Schrift gestellt wird. „Bombejour“ stellt gleißende Sonnenstrahlen als natürliche Lichtquelle in den Mittelpunkt. Von ihrer Intensität geht auch die Wahrnehmungsänderung aus, die das Bild zwischen Abstraktion und Figuration changieren lässt.

Der Künstler bietet dem Betrachter viel Raum zur Entdeckung seiner Bilder, deren formale Ausrichtung bewusst offengehalten wird. Vielmehr schafft Patrick Cierpka eine Ästhetik, die bereits in seinen früheren Arbeiten zu erkennen war und nun um weitere bildnerische Nuancen erweitert wurde. Die Konzentration auf Licht und Schatten, hell und dunkel, positiv und negativ wird in der aktuellen Ausstellung „TAGNACHT“ in der Galerie Jarmuschek+Partner zur Essenz der Arbeiten Cierpkas. 

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"ich war kurz blind" | Jarmuschek+Partner
5. November – 17. Dezember 2011

Das Flimmern der Bilder
In seinen aktuellen Arbeiten versetzt Patrick Cierpka den Betrachter in irrende, farblich opulente Landschaften, in welchen der Betrachter vergeblich nach klaren Konturen sucht. Geäst und Dickicht verschwimmen vor Augen, scheinbar so, als hätte der Betrachter innegehalten und zu lange in die Sonne geblickt. So kann der Titel der Ausstellung tatsächlich wörtlich genommen werden: „ich war kurz blind“ beschreibt eben jenen Augenblick, der sich nach einem ausgiebigen Blick ins direkte Sonnenlicht einstellt. Kurzzeitig erscheint alles grell, gar weiß um den Betrachter herum. Um aus diesem Zustand der kaleidoskopischen Überblendung herauszugelangen, muss der Betrachter blinzeln bis er seine Umgebung wieder wahrnehmen kann. Eben jenen lichtblitzkurzen “Augenblick“ zwischen Überblendung und der Rückkehr zu klaren Konturen hat Patrick Cierpka in Malerei transformiert. Dabei sind es die leuchtenden Farbschichten, die uns taumeln lassen und immer weiter hineinziehen, bis wir – nach dem Flirren – zu dem abstrakten Grundgerüst seiner Bildwelten vordringen.

“ich war kurz blind” ist Patrick Cierpkas zweite Ausstellung in der Halle am Wasser und zeigt ein neues Spektrum seines Schaffens. Er spielt mit der War- nehmung des Betrachters und stellt diese scheinbar auf die Probe. In einer Zeit, in der das menschliche Auge vom unausgesetzten Rauschen der Bilder überfordert wird, sucht Cierpka nach den zwar kurzen, dennoch die persönliche Erinnerung prägenden Augenblicken. 

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