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JANIS SNEIDERS TEXTE

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JĀNIS ŠNEIDERS

TEXTE

EINFÜHRUNG

Flächen mit gefühlt unzähligen kleinen beigen Fliesen, in perfekter Fluchtpunktperspektive gezeichnet, führen unseren Blick, soweit das Licht reicht. Nur ein schmaler, dämmriger Übergang leitet hin zu dem, was darauf folgt: kompaktes Schwarz. Fast wirkt es, als komme es gefräßig auf uns zu, als vergrößere es sich und könnte uns in Kürze verschlingen. Wie eine zutiefst beruhigte Kampfzone erscheint der Bereich, in dem das Licht mit dem Schatten ringt. Welcher Part gewinnt oder ob dieser Balancezustand für alle Zeiten eingefroren bleibt, wird in Gemälden wie „Cave“ oder „Edge“ von Jānis Šneiders nicht erzählt.

Mit wenigen Strichen und reduzierter Farbigkeit entwirft der lettische Künstler in seinen Ölgemälden Räume, die auf den ersten Blick wie abstrakte Farbfelder oder Muster anmuten. Erst im nächsten Moment des Hinsehens konkretisieren sich Gegenstände und architektonische Situationen: Ob längliches Becken, Ecke, Pfeiler, eine Bank oder ein Fenster – unumgänglich bilden Fliesen und absolute Dunkelheit einen Kontrast, dessen Dramatik auf seltsame, ja absurde Weise durch die fast unerträgliche Ruhe der Szenerie konterkariert wird. In ihrer Massivität wirken die Bilder wie Denkmäler oder Symbole für das Unbewusste. Ähnlich wie ein tiefer Brunnen oder ein altes Haus, in dem alle Möbel mit Laken verhangen sind, wecken sie ein Gefühl von Grusel und Beklemmung. Während der nicht beleuchtete Raum die Ungewissheit über das Verborgene evoziert, vermag die Leere des beleuchteten Areals der Betrachter:in vor Augen zu führen, wie bedrohlich auch die Abwesenheit von allem sein kann. Das Einschätzen von Raum, die Projektion gemachter Erfahrungen und die Anwendung von bereits erlerntem gewinnen angesichts dieser Manifestationen des Nichts an Bedeutung.

Ebenso überschaubar und einfach wie die Bilder erscheinen auch Jānis Šneiders Titel. Lässt man sie aber kurz wirken, wird klar: Auch in den Worten – Höhle (“cave”), Fenster (“window”), Insel (“island”) – versteckt sich ein Geheimnis, wird mit unserer Fantasie gespielt, indem die Bedeutung nur oberflächlich erfassbar ist. Jedes Mal rufen Bild und Titel Erinnerungen hervor, doch die Assoziationen ersticken in Ermangelung fütternder Details. Nie können wir verorten oder zuordnen. Wir lesen und sehen etwas, aber verstehen nichts. Indem Jānis Šneiders uns mit diesem Nichts konfrontiert, versetzt er uns in einen Schwebezustand, in dem Gefühle der Anziehung und Abstoßung changieren. Er öffnet in uns eine Tür zum Unterbewusstsein – und das ist faszinierend und verstörend zugleich.

Jānis Šneiders ist 1995 geboren. Nach ersten künstlerischen Schritten an der Riga Art Highschool studierte er ab 2015 Malerei an der Art Academy of Latvia und im Rahmen eines Erasmus-Aufenthalts 2018 an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen. 2019 schloss er mit dem Bachelor ab und setzt sein Studium seitdem an der Art Academy of Latvia im Bereich der Visuellen Kommunikation fort. Seine Werke wurden bereits in mehreren Einzelausstellungen in Lettland und Schweden gezeigt. 2017 erhielt er ein Stipendium der Rotary Art Society und 2019 den NBYAA Young Painter Award. Auf der POSITIONS Berlin Art Fair wurde Jānis Šneiders 2020 als Träger des Claus Michaletz Preises für osteuropäische Kunst präsentiert, welcher erstmals von der Secco-Pon- tanova-Stiftung vergeben wurde.

Text: Ines Wittneben

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Katalog: JANIS SNEIDERS - Claus Michaletz Preis für osteuropäische Kunst der Secco Pontanova Stiftung 2020